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Sonntag, 25. Dezember 2005 (1. Weihnachtstag): Ein tropischer Sturm
und ein Hotel auf dem See ...
Die Nacht war ein Katastrophe: um kurz vor neun, circa eine halbe
Stunde nach dem Abendessen, wird mir übel und ich habe das Gefühl, mein
Kreislauf sackt ins Bodenlose. Dann folgt das ganze Programm mit
Schüttelfrost etc. und zieht sich bis halb sechs Uhr morgens hin. Zeit
genug, um alle Szenarien für den Abbruch der Reise in Gedanken
durchzuspielen. Um halb zwölf in der Nacht setzt dann innerhalb von fünf
Minuten ein tropischer Regensturm ein, der Tische und Stühle von der
Hotelterrasse in den Pool wirbelt, als wären sie aus Papier.
 Von sechs bis sieben eine kurze Schlafphase. Entsprechend fühle ich mich
beim Aufstehen. Aber es geht dann doch besser als vermutet. Als ich das
Hotel verlasse und mich auf den Weg zum Flughafen mache, regnet es noch
immer und die Wolken hängen grau und schwer über der Stadt.
Der Check-in ist eine Sache von zwei Minuten, das Procedere wie vor 50
Jahren: der Koffer kommt auf eine große Personenwaage, die gegenüber dem
Schalter mitten in der Halle aufgestellt ist. Die Platznummern befinden
sich auf kleinen Stickern auf einer Liste, von der sie abgelöst und auf
die Bordkarte geklebt werden. Der Mann an der Handgepäck-Kontrolle erzählt
mir stolz, was er alles in meinem Rucksack bei der Durchleuchtung entdeckt
hat. Irgendwie wirkt das alles noch wie die heile Welt aus den Tagen, als
das Fliegen noch eine exklusive Angelegenheit für Wenige war ...
Nach und nach füllt sich die winzige Abflughalle. Mit 30 Minuten
Verspätung geht es dann los. Trotz des schlechten Wetters liegt die
zweimotorige ATR-72 der Air Mandalay ruhig in der Luft. Lediglich der Lärm
der Propeller ist etwas störend und ungewohnt. Stewardess und Steward sind
über alle Maßen freundlich, und man fühlt sich wohl an Bord. Der Steward
sieht so jung aus, dass er bei uns wohl für 16 durchgehen würde. Aber das
ist bei den meisten Asiaten schwer einzuschätzen.
Glatte Landung in Heho. Die Wolken hängen zwar auch hier tief, aber
wenigstens hat der Regen nachgelassen. Alles steht noch unter Wasser.
Danach muss es auch hier in der vergangenen Nacht wie aus Eimern
geschüttet haben. Es ist merklich frischer als in Rangoon, aber nicht
unangenehm. Mein neuer Fahrer ist blutjung und wortkarg. Sein Englisch ist
so schlecht wie seine Zähne, die durch das ständige Betelkauen zu
schwarzbraunen Ruinen geworden sind. Aber ich brauche ihn ja nur für den
Transfer zum Inle-See.
 In
Nyaungshwe treffe ich den Repräsentanten von Golden Express Tours, einen
freundlichen Herrn mittleren Alters. Wir klären alle Details für den
weiteren Verlauf meiner Reise und danach
mache ich einen Rundgang durch den Ort. Viel Lokalkolorit, wenig
Tourismus, obwohl dies der Ausgangspunkt für die meisten Touren auf dem
See ist. Um drei besteige ich das Boot, das mich zu meinem Hotel bringt.
Der Bootsführer reicht mir einen alten Regenschirm, obwohl es nicht regnet. Ich
bin anfangs etwas irritiert, doch kaum hat das 'Speedboat' Fahrt aufgenommen,
leistet er gute Dienste gegen den Fahrtwind, der draußen auf dem
Wasser empfindlich kalt ist. Welch ein Segen!
Das Hotel ist nicht das ursprünglich von mir gebuchte. Es liegt mitten im
See, und die Zimmer sind in kleinen Pfahlbauten untergebracht: einfach,
aber sauber. Aus meinen Reisebüchern geht hervor, dass die 'Golden Island
Cottages', wie sich das Hotel nennt, zurzeit die schönste Anlage am See
sein soll. Das Abendessen ist ebenfalls einfach, aber lecker und reichlich
bemessen. Es herrscht eine freundliche Atmosphäre. Die Zahl der Gäste ist
nicht groß. Die einzeln reisenden Europäer haben fast immer einen
einheimischen Guide dabei. Ich bin dagegen ein 'Exot', weil ich ohne
reise. Obwohl ich zwei Nächte kaum geschlafen habe, bin ich nicht wirklich
müde. Trotzdem gehe ich um acht ins Bett, in der Hoffnung, dass die Nacht
diesmal gut wird. Es ist empfindlich kalt hier draußen auf dem See, und
ich ziehe mir die Decke über die Ohren ...
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